Der erste von der Bundesregierung und der DDR initiierte Häftlingsfreikauf fand am Berliner Bahnhof Friedrichstraße statt.
Dicke Bargeldbündel gegen eine S-Bahn-Fahrt in Richtung Westen.
Ein Geschäft, in einer politisch aufgeheizten Zeit.
Nicht nur die Mauer trennte damals die Menschen in Ost und West, auch zwei Welt- und Wertesysteme.
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26.2.1951 Die West-Berliner „Rechtsschutzstelle“, die sich für die politischen Gefangenen der DDR einsetzt, nimmt ihre Arbeit auf. Getarnt als gewöhnliche Anwaltskanzlei, ist sie inoffiziell von der Bundesregierung finanziert.
13.8.1961 Mit dem Bau der Berliner Mauer verdreifacht sich die Zahl der politischen Gefangenen der DDR auf beinahe 30.000 Häftlinge. Gleichzeitig werden die meisten innerdeutschen Verbindungen abgeschnitten. 1962 Auf Initiative der evangelischen Kirche werden 15 Häftlinge gegen drei Waggonladungen Kali aus DDR-Gefängnissen in die Bundesrepublik entlassen. Ansprechpartner in der DDR ist der Rechtsanwalt Wolfgang Vogel.
Jahreswechsel 1962/63 Das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen erhält durch Wolfgang Vogel und über den West-Berliner Anwalt Jürgen Stange von der Rechtsschutzstelle erstmals das Angebot, politische Gefangene gegen Geld aus der DDR herauszukaufen. Sommer 1963 nach zähen Verhandlungen entlässt die DDR über den Ost-Berliner Bahnhof Friedrichstraße die ersten acht Gefangenen für 340.000 DM in bar.17.10.1963 Regierungswechsel in Bonn: Der neue Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) ernennt Erich Mende (FDP) zu Rainer Barzels Nachfolger als Minister für Gesamtdeutsche Fragen. Man einigt sich darauf, dass die Freikäufe weitergehen müssen. 12.6.1964 Wolfgang Vogel trifft auf Mende und man erreicht einen Verhandlungsdurchbruch: Die Bezahlung für die Gefangenen soll zukünftig in Form von Gütern im Wert von 40.000 DM pro Person über die Kanäle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche erfolgen.
14.8.1964 50 Häftlinge erreichen erstmals im Reisebus das Notaufnahmelager Gießen. Alle zukünftigen Freikäufe spielen sich fortan nach diesem Muster ab.
1966 Gründung des MfS-Unternehmens „KoKo“ („Kommerzielle Koordinierung“), sein Chef, Alexander Schalck-Golodkowski wird oberster Devisenbeschaffer der DDR. Die wirtschaftliche Abwicklung des Häftlingsfreikaufs wird in der DDR von diesem Zeitpunkt bis zur Wende von der „KoKo“ übernommen. 22.10.1969 Unter Willy Brandts sozial-liberaler Koalition wird das Gesamtdeutsche Ministerium mit Minister Herbert Wehner (SPD) in „Ministerium für Innerdeutsche Beziehungen“ umbenannt. Die Freikäufe gehen weiter. Mai 1971 Walter Ulbricht tritt „aus Altersgründen“ zurück. Nachfolger und 1. Sekretär des ZK der SED wird Erich Honecker. Für ihn wird der Häftlingsfreikauf zur Chefsache. 1972 Mit dem Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik versucht der SPD-Politiker Egon Bahr auch den Häftlingsfreikauf in einem offiziellen Rahmen zu verankern. Daraufhin stoppt die DDR das Freikaufgeschäft. 30.5.1973 Nach dem überraschenden Treffen Honecker/Wehner werden die Freikaufaktionen wieder aufgenommen. 1.8.1975 Mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki akzeptiert die DDR offiziell die Gültigkeit der Menschenrechte. Dennoch werden weiterhin politische Gegner eingesperrt und an die Bundesrepublik verkauft. 1977 Der Preis pro Häftling wird auf 95.847 DM angehoben. Dies geschieht in Angleichung an die bisher tatsächlich gezahlten Beträge, die meist weit über 40.000 DM lagen. 1982 Mit der Regierungsübernahme durch Helmut Kohl (CDU) wird im Innerdeutschen Ministerium ein Fehlbetrag von über 6 Millionen DM festgestellt. Ein Prozess gegen den ehemaligen Innerdeutschen Minister Egon Franke (SPD) und Ministerialdirektor Edgar Hirt führt zwar zur Verurteilung Hirts, das Geld bleibt aber verschwunden. Auch die Freikaufaktionen geraten damit ins Zwielicht. 1987 Helmut Kohl empfängt Erich Honecker zum offiziellen Staatsbesuch in Bonn. In Gesprächen mit der Innerdeutschen Ministerin Dorothee Wilms bekräftigen beide Seiten den Willen zur Fortführung der Freikäufe. Dezember 1989 Der letzte freigekaufte Häftling verlässt das Gefängnis. In 26 Jahren erhielten 33.755 politische Gefangene der DDR für den Gegenwert von 3.436.900.755 DM und 12 Pfennige ihre Freiheit. Anfang 1990 sind die letzten Geschäfte abgewickelt.
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